Microsoft HoloLens: Wie ich die Zukunft berührte

Sicher haben Sie schon von so manchen kontroversen Google-Glass-Erfahrungen gehört. Doch nun kommt die Antwort von Microsoft: Das Augmented-Reality-System HoloLens.

Neue Welten aufzubauen, ist ein teures Unterfangen, da die Anwendung im Grunde auf Spiele und – bis zu einem gewissen Grad – auf Bildungsprogramme beschränkt ist. Zwar sind das große Branchen, allerdings sind Erwachsene, die sich solche Spielereien leisten können, meist nicht so sehr an Spielen interessiert und auch im Bildungsbereich nicht allzu enthusiastisch.

Deshalb hat sich die Branche die so genannten Augmented Reality (AR) angesehen: Dieses Konzept dreht sich um grafische Bilder, die das echte Leben ergänzen. In diesem Fall ist das Zugehen auf die Kunden sehr wirkungsvoll, oder anders gesagt, es bringt schlussendlich mehr Geld in die Taschen des AR-Anbieters. Man kann sich sogar eine Handvoll Verwendungszwecke im Firmenbereich vorstellen, vor allem, da Firmen meist gewillter sind, Geld auszugeben.

Mit der heute verfügbaren Technologie, ist es unmöglich einen Akku herzustellen, der solche High-End-Hardware lange mit Strom versorgen kann. Und wenn man weniger gute Komponenten verwendet, ist die sich daraus ergebende „Reality“ nicht „augmented“ genug.

Allerdings gibt es ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg dieser schönen Geschäftsidee: Die Größe der tragbaren Geräte. Bei der Virtual Reality bleibt der Nutzer relativ unbewegt und immer an der gleichen Stelle. Die Augmented Reality will aber virtuelle Objekte in das echte Leben integrieren.

Das bedeutet, dass ein Anwender sein ganz normales Leben führt und seine alltäglichen Dinge macht, aber mit einem tragbaren Smart Head Display, das interessante und nützliche Informationen über die Umgebung und sein Blickfeld legt.

Hier kommt eine Herausforderung ins Spiel: Mit der heute verfügbaren Technologie, ist es unmöglich einen Akku herzustellen, der solche High-End-Hardware lange mit Strom versorgen kann. Und wenn man weniger gute Komponenten verwendet, ist die sich daraus ergebende „Reality“ nicht „augmented“ genug.

Trotz all dem beschäftigen sich viele Firmen sehr stark mit AR-Forschung, zumindest mit Blick auf die Zukunft: Eines Tages wird es passende Akkus geben und die Hardware wird mehr Leistung pro Kubikzentimeter bieten. Und dann beginnt die Ära der AR-Monetarisierung.

Sicher haben Sie schon von so manchen kontroversen Google-Glass-Erfahrungen gehört. Doch nun kommt die „asymmetrische Antwort“ von Microsoft auf das Konzept der Smart-Brille: Das Augmented-Reality-System HoloLens. Zum ersten Mal vorgestellt wurde sie am 21. Januar bei der Einführung von Windows 10. Dort wurde nur das Gerät auf der Bühne gezeigt, zudem sah man ein paar Werbevideos. Ich muss zugeben, es waren sehr dynamische und aufregende Videos.

Bei der Microsoft Build 2015, der Ende April durchgeführten Entwicklerveranstaltung des Unternehmens, bekam die HoloLens vom ersten Tag weg viel Aufmerksamkeit, und Hunderte Besucher durften das System ausprobieren. Auch ich gehörte zu den Glücklichen.

Die HoloLens sieht auf der Bühne atemberaubend aus. Nun, wahrscheinlich drücke ich mich nicht richtig aus, denn Tatsache ist, dass auf der Bühne eigentlich nichts passiert, abgesehen von einer Gruppe Menschen, die Helme aufhaben und ihre Köpfe hin und her bewegen. Aber auf den Bildschirmen, auf denen die Videos der Helme zu sehen sind, ist es echt magisch.

glass_3Ein Mensch, der den Helm auf hat, „geht“ in einen virtuellen Raum, dessen virtuelle Wände mit Bildschirmen bedeckt sind, die Filme zeigen; es gibt 3D-Objekte auf Nachttischen (im Grunde nicht zu unterscheiden von echten!) und langweilige physische Objekte werden in Echtzeit mit faszinierenden Add-Ons ausgestattet.

Das Mädchen auf der Bühne zeigt, wie der menschliche Körper untersucht werden kann, indem man (virtuell) jede Ader, jeden Muskel und jedes neuronale System „herauszieht“. Ich habe gesehen, wie man an medizinischen Schulen Anatomie lehrt, und ich muss zugeben, dass die Möglichkeit mit der HoloLens für mich viel ansprechender wirkt.

Microsoft gibt bisher keine Informationen zum Inneren des Helms. Wir wissen bisher nur, dass eine extra angefertigte HPU (Holographical Processing Unit) für die Berechnung der Effekte verwendet wird und ein voll ausgestattetes Windows 10 das ganze verwaltet. Lassen Sie mich daher ein paar Vermutungen anstellen.

Zum ersten könnte man die HoloLens ganz ernsthaft als HolyLens bezeichnen, denn es ist bekannt, dass die israelische Abteilung von Microsoft daran beteiligt war, der wir auch für die Entwicklung der Kinect zu danken haben (nun, ich weiß, dass Microsoft damals einen israelischen Entwickler gekauft hat, aber der hat sich nicht stark verändert). Viele Kinect-Ideen sind auch in mehreren HoloLens-Funktionen und -Fähigkeiten zu finden, und die ersten Gerüchte über die AR-Entwicklungen bei Microsoft kamen ebenfalls aus dem Heiligen Land.

Zum zweiten ist es wahrscheinlich, dass ein Intel Core M die HoloLens steuert, da dieser im Grunde ein kompletter Computer ist. Der Chip von Intel ist der einzige Prozessor, der beachtliche Leistung ohne aktive Kühlung bringen kann, denn die HoloLens enthält keine Lüfter. Natürlich wird es auch andere Hardware geben, die die angeblich bald kommende kommerzielle Version der HoloLens betreiben könnte (falls so eine Version überhaupt kommt), aber bei heutigem Stand, gibt es keine andere Möglichkeit.

Insgesamt wirkt das System sehr cool. Aber was ist, wenn man es selbst ausprobiert?

Normalerweise werden „geheime“ Vorführungen in „geheimen“ Räumen durchgeführt. Doch Microsoft wollte sich nicht mit kleinen Besprechungszimmern zufrieden geben, und so wurde die HoloLens-Vorführung auf mehreren Stockwerken in einem Hotel in San Francisco organisiert. Man kam nur auf Einladung rein und wurde die ganze Zeit von einem Microsoft-Mitarbeiter begleitet.

Bevor die Gäste das magische Gerät anfassen durften, wurde uns gezeigt, wie wir den Helm aufsetzen sollten (gleichzeitig mit beiden Händen haltend!), dann wurde unsere Pupillendistanz gemessen, anschließend gab es eine kurze Präsentation, die zwei junge Männer zeigte, die per Skype am 3D-Modell eines Gebäudes arbeiten.

Und noch etwas: Kurz vor der Vorführung wurde uns gesagt, alle elektronischen Geräte draußen zu lassen, inklusive Smart Watches – die einzigen Beweise, die ich also für meine eigene Erfahrung mit der HoloLens habe, sind die Fotos eines Helm-Prototypen im Glaskasten und ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Helm.

Glass_1Sobald wir mit dem Vorspiel den Vorbereitungen fertig waren, führten uns die Microsoft-Leute in den 27. Stock des Hotels, wo in allen Zimmern einzelne HoloLens-Demobereiche aufgebaut waren. Man muss noch dazusagen, dass das System vor dem Start einen langen und hochpräzisen Kalibrierungsprozess benötigt, um die Eigenheiten jedes Zimmers in das System aufzunehmen. Wird das nicht gemacht, funktioniert das Ganze nicht. Daher sind nicht alle Zimmer für die Demonstration geeignet – zumindest derzeit noch nicht.

Ich setze also vorsichtig mit zwei Händen den begehrten Helm auf, der sich ziemlich schwer anfühlt. Das Plastik war warm, was dafür sprach, dass die Hardware darin läuft. Der Helm wird über eine extra angefertigte Schraube, die direkt auf das Kleinhirn drückt, an der korrekten Position festgehalten. Das ist nicht so toll, denn auch wenn ich normalerweise nicht mit Kopfschmerzen zu kämpfen habe, habe ich in diesem Fall sofort welche bekommen.

Die zehnminütige Vorführung habe ich ganz einfach geschafft, aber ich gehe davon aus, dass selbst eine halbe Stunde mit dem Helm eine Qual wäre. Die ganze Konstruktion ist recht schwer und wiegt gut und gerne ein paar Pfund. Ohne die feste Fixierung des Helms geht es nicht, denn sobald sich die Augen vom Zentrum des Displays weg bewegen, ist es mit der Magie vorbei. Der Helm ist mit den meisten Brillen kompatibel, außer man ist ein großer Fan von breitrandigen Modellen.

Bei Vorführungen sieht es meist so aus, als wäre AR nahtlos in die echte Welt integriert. In Wirklichkeit ist das aber bisher nicht der Fall. Hat man den Helm einmal auf, sieht man die Umgebung wie durch ein Kameraobjektiv, mit einer Brennweite von etwa 50 mm.

Bei Vorführungen sieht es meist so aus, als wäre AR nahtlos in die echte Welt integriert. In Wirklichkeit ist das aber bisher nicht der Fall.

Lassen Sie mich das kurz für Nicht-Fotografen erklären: Das 50-mm-Objektiv ist für Stillleben und Portraits perfekt, aber nicht gerade toll für Panoramaansichten. Die Blickwinkel sind dann etwas beschränkt. AR kommt wie durch ein Fenster – um also das ganze Bild sehen zu können, muss man laufend seinen Kopf drehen.

Als Teil der Vorführung konnte ich ein Kartonmodell des Gebäudes auf einem leeren Platz betrachten. Man musste keine zusätzlichen Gebäude auf dem Platz aufbauen und dennoch konnte ich die Modelle des geplanten Gebäudes sehen. Das virtuelle Gebäude war wirklich nicht schlechter als die Kartonmodelle.

Ich konnte auch die Maße des Gebäudes ändern – zwar nicht mit Gesten (diese besonders magische Funktion ist derzeit den AR-Profis auf der Bühne vorbehalten), aber zumindest mit einer guten alten PC-Maus. Ich ließ das Gebäude ein paar Stockwerke größer werden und um die oberen Stockwerke sehen zu können, musste ich wirklich nach oben blicken.

Dann wurde mir vorgeschlagen, einen virtuellen Rundgang durch das neu geschaffene Gebäude zu machen. Dadurch sah ich den Fehler im Design: Die Stützpfeiler endeten mitten in einem Fenster! Richard, der Ingenieur, tauchte irgendwo im Zimmer auf und half mir weiter. Er sah aus wie eine weiße Kopie eines Menschen ohne Texturen (ich gehe davon aus, Texturen benötigen viel Rechenleistung, so dass sie momentan keine obere Priorität haben). Er bewegte das Fenster nach rechts und schon war das Problem gelöst. Im echten Leben wäre ein Architekt, dem so etwas passiert, gefeuert worden.

Ich sah all diese Manipulationen; ich sah die Fenster, die Stahlpfeiler und alles, was „draußen“ vor sich ging. Die Auflösung des Bilds außerhalb des Fensters war nicht so hoch, aber insgesamt war es schon sehr beeindruckend.

Dann wurde in der Wand vor mir ein fehlerhaftes Rohr entdeckt, ebenfalls recht realistisch. Richard konnte das aber mit einem Fingerschnippen reparieren. Mir scheint, als wäre er, auch wenn er einen englischen Namen hat, eher ein Russe aus Kemerovo, wo die Leute ALLES reparieren können.

Damit endete die Vorführung. Wenn ich richtig verstehe, sind alle Reporter gleich, aber manche sind eben doch gleicher als die anderen, so dass meine amerikanischen Kollegen ein bisschen mehr sehen konnten. Aber der erste Eindruck reichte, um zu verstehen, auf welcher Stufe der Evolution die HoloLens momentan steht.

Werden wir in absehbarer Zukunft kommerzielle Versionen sehen? Ich denke nicht, und dafür gibt es einige Gründe.

Werden wir in absehbarer Zukunft kommerzielle Versionen sehen? Ich denke nicht, und dafür gibt es einige Gründe. Der erste ist die Hardware: Um ein überzeugendes, tragbares Gerät für den täglichen, stundenlangen Gebrauch zu sein, muss die HoloLens viel leichter und kompakter werden, und der Akku muss den ganzen Tag lang durchhalten. Mit der zur Zeit verfügbaren Hardware und vor allem den aktuellen Akkus ist das nicht machbar. Nicht zu vergessen die Blickwinkel, die viel größer sein sollten.

Der zweite Grund ist die Software. Die Basis-HoloLens-Software funktioniert ganz gut. Aber um den Kauf eines solchen Produkts für den Kunden zu rechtfertigen, müssen noch viele zusätzliche Inhalte geschaffen werden. Diese können ganz unterschiedlich ausfallen – von luxuriösen Innenausstattungsmodellen zu virtuellen Gesprächspartnern des anderen Geschlechts, von digitalen Menschenimitationen zur Modellierung per 3D-Gesten. Die Entwicklung solcher Apps von Grund auf wird viel Geld, Arbeitskraft und Zeit benötigen, da so etwas noch nie in diesem Umfang gemacht wurde.

Es sieht so aus, als müsste Microsoft seinen Helm zunächst einmal verfeinern, ihn leichter und praktischer machen, dann die kommerzielle Produktion einrichten (die aktuellen Helme sind handgefertigt), den Kalibrierungsprozess nahtlos und nutzerfreundlich machen, dann eine Menge solcher Helme an Entwickler geben, so dass diese Apps dafür entwickeln können, bei der Entwicklung interessanter Produkte zu helfen… Und erst dann könnte das Unternehmen darüber nachdenken, diesen Vielversprechenden Markt zu erobern. Das wird wahrscheinlich Jahre dauern, wenn nicht sogar ein ganzes Jahrzehnt. Und während des ganzen Prozesses werden wahrscheinlich eine Menge, bisher ungeahnter Hindernisse auftauchen.

Zudem könnte Augmented Reality auch viele Gefahren mit sich bringen. Hacker können Kinderspiele kompromittieren, so dass statt süßen Kätzchen auf einmal furchterregende, zähnefletschende Ratten auf Kinder zuspringen. Sie könnten sich auch ganz gut an das Tragen des Helms gewöhnen und bei der Eingabe des PIN-Codes am Geldautomaten plötzlich einem Trojaner im Helmsystem ihre Kontodaten preisgeben. Das Schadprogramm kennt dann alle Sicherheitsfaktoren, die es für den Zugriff auf Ihr Konto benötigt: Kartennummer, PIN und CVV-Code.

Die Gelegenheit, all diese Informationen über so einen Helm zu sammeln, ist perfekt, denn hier handelt es sich nicht um eine einfache Webcam, die nur in eine Richtung blickt. Die Kameras im Helm sehen alles, das Sie auch sehen, wenn sie ihn tragen.

Und ich will gar nicht auf das Problem der „Zusammenarbeit“ zwischen AR und echter Realität eingehen. Stellen Sie sich einfach nur vor, Sie sind gerade mitten in einem interessanten Film, der auf Ihrem Kopfdisplay läuft und laufen in ein Hindernis in Ihrer Wohnung (einen Stuhl oder eine Mauer). Und nun stellen Sie sich das ganze zum Beispiel in der U-Bahn vor.

Nun, zusammen mit vielen potenziellen Gefahren kommen natürlich auch viele potenzielle Vorteile. Eine Liste der Nutzungsmöglichkeiten in den verschiedensten Branchen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Lassen Sie einfach Ihre Fantasie spielen.

Microsoft ist natürlich bei weitem nicht die einzige Firma, die die Möglichkeiten von Augmented Reality erforscht. Der Geruch von Geld hängt in der Luft, und Dutzende Startups, deren Zahl jährlich steigt, folgen in den Fußspuren des Branchengiganten. Und auch wenn noch nicht klar ist, wann ein kommerzielles Produkte für den Großteil der Anwender erhältlich sein wird, bin ich mir sicher, dass wir eines Morgens aufwachen und unsere AR-Gerät aufsetzen werden, genau so selbstverständlich, wie wir bereits heute als erstes nach unserem Smartphone greifen.

Oder zumindest unsere Kinder werden das tun, und ich habe nichts dagegen.

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